Bereits jede zweite Lehrkraft hat KI für die Schule genutzt
-
Einsatz für Wissensvermittlung, Prüfungsvorbereitung oder Hausaufgaben
-
Bei vielen Lehrerinnen und Lehrern herrscht aber große Unsicherheit im Umgang mit KI
-
Digitalisierung der Schulen kommt voran: Notebooks werden zum Standard, aber fast jede zweite Lehrkraft setzt noch Overhead-Projektoren ein
-
90 Prozent fordern schnellstmöglich einen Digitalpakt 2.0
Berlin, 09. Oktober 2024 – Neue Deutsch-Aufgaben entwickeln, Elternbriefe verfassen, ganze Unterrichtsstunden planen – viele Lehrerinnen und Lehrer nutzen Künstliche Intelligenz für schulische Zwecke. So haben bereits 51 Prozent Erfahrungen etwa mit Anwendungen wie ChatGPT, SchulKI, FieteAI in schulischem Kontext gesammelt: 28 Prozent werden dies auch künftig tun, 23 Prozent haben entsprechende Tools zwar schon für den Unterricht ausprobiert, wollen sie aber nicht wieder nutzen. Auch darüber hinaus ist das Interesse der Lehrenden an KI groß: So haben weitere 28 Prozent KI für den Unterricht noch nicht ausprobiert, wollen dies aber bald tun. 7 Prozent haben KI bislang nur für private Zwecke genutzt. Lediglich jede zehnte Lehrkraft (11 Prozent) schließt den KI-Einsatz kategorisch aus. Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung unter 502 Lehrerinnen und Lehrern der Sekundarstufen I und II in Deutschland, die im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt wurde. „KI ist eine der wichtigsten Zukunftstechnologien. KI eröffnet neue Chancen für das Lehren und Lernen“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.
37 Prozent haben KI-Nutzung für Hausaufgaben verboten
Die Lehrerinnen und Lehrer, die KI bereits für schulische Zwecke genutzt haben, berichten in diesem Zusammenhang von vielfältigen Anwendungsfeldern: 81 Prozent haben KI konkret zur Wissensvermittlung im Unterricht eingesetzt und 59 Prozent, um Schülerinnen und Schülern KI zu erklären. 43 Prozent haben mithilfe von KI-Tools individuelles Feedback gegeben und rund ein Drittel (36 Prozent) hat Unterrichtsstunden damit vorbereitet. 30 Prozent haben sich Prüfungsaufgaben von einer KI erstellen lassen, 29 Prozent wiederum Prüfungen bzw. Aufgaben mithilfe von KI kontrolliert. Ein Zehntel der Lehrerinnen und Lehrer, die KI bereits für den Unterricht genutzt haben, haben die Nutzung von KI ganz konkret als Hausaufgabe aufgegeben (10 Prozent). Umgekehrt haben 37 Prozent ihren Schülerinnen und Schülern die Nutzung von KI für Hausaufgaben verboten. Überhaupt gibt es gerade beim Thema Hausaufgaben große Unsicherheiten innerhalb der Lehrerschaft. Nur 9 Prozent meinen sicher zu erkennen, wenn Hausaufgaben mit KI gemacht wurden, weitere 32 Prozent würden sich das zumindest eher zutrauen, 55 Prozent trauen sich dies hingegen nicht zu.
80 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer meinen: Alle Schülerinnen und Schüler sollten lernen, wie man KI nutzt. Es gibt jedoch auch Vorbehalte zum Einsatz von KI in der Schule - 39 Prozent sagen sogar: KI hat in der Schule nichts verloren. Trotz der Skepsis stimmen aber auch unter diesen Befragten 79 Prozent zu, dass alle Schülerinnen und Schüler KI-Kompetenzen erlernen sollten. „Schulen müssen Kinder und Jugendliche mit Künstlicher Intelligenz vertraut machen. Wo, wenn nicht in den Schulen, sollen sie den kompetenten Einsatz von KI lernen?“, so Rohleder. „Wichtig ist, dass Lehrerinnen und Lehrer bei Künstlicher Intelligenz und ihrer Didaktik mit Fortbildungsangeboten unterstützt werden.“ Knapp drei Viertel (72 Prozent) wünschen sich dementsprechend, mehr über die Anwendungsmöglichkeiten von KI im schulischen Kontext zu lernen.
Lehrerinnen und Lehrer fordern schnellen Digitalpakt 2.0
Wie steht es insgesamt um die Digitalisierung von Deutschlands Schulen? 92 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer sehen spürbare Verbesserungen durch den Digitalpakt Schule, der zwischen Mai 2019 und 2024 Gelder für die Digitalisierung der Schulen bereitgestellt hat, etwa für die Ausstattung mit WLAN, Tablets oder Computern und für die Netzwerkadministration. 90 Prozent fordern daher auch eine möglichst schnelle Anschlussfinanzierung, 93 Prozent fordern, ein Digitalpakt 2.0 müsse auch Gelder für Lizenzen, Lernmaterialien und Fortbildungen enthalten. Rohleder: „Trotz Verankerung im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung den Digitalpakt 2.0 bislang nicht auf die Beine gestellt. Durch die fehlende Anschlussfinanzierung werden Schulen und Kommunen bei Betrieb und Verwaltung bestehender digitaler Infrastruktur allein gelassen. Ihnen fehlen Planungssicherheit und Perspektive, wie digitales Lehren langfristig ermöglicht und weiterentwickelt werden soll. Hard- und Software muss aktuell gehalten und Sicherheitslücken müssen geschlossen werden.“ Fast zwei Drittel (65 Prozent) der Lehrerinnen und Lehrer sehen die Gefahr, dass die digitalen Geräte an ihrer Schule ohne Anschlussfinanzierung zur Investitionsruine werden. Lediglich 12 Prozent halten einen Digitalpakt 2.0 für überflüssig. „Bund und Länder müssen sich schnell auf ein tragfähiges Konzept für den Digitalpakt 2.0 einigen“, betont Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.
Beamer und Notebooks sind Standard, 3D-Drucker an jeder zehnten Schule
Viele Schulen verfügen bereits über eine digitale Grundausstattung. Beamer (98 Prozent) sind in praktisch allen Schulen vorhanden, 89 Prozent verfügen außerdem über Notebooks, wobei diese an jeder dritten Schule als kompletter Klassensatz vorhanden sind (33 Prozent), mindestens jedoch als Einzelgeräte (61 Prozent) oder in speziellen Fachräumen (29 Prozent). Jede zwanzigste Schule (5 Prozent) stellt Notebooks in allen Unterrichtsräumen zur Verfügung. 85 Prozent der Schulen haben stationäre PCs im Einsatz, drei Viertel (72 Prozent) interaktive Whiteboards bzw. digitale Smartboards, also elektronische Tafeln mit Bildschirmsteuerung. In 7 von 10 Schulen gibt es Tablets, allerdings sind in diesem Fall vor allem Einzelgeräte im Einsatz (52 Prozent). 14 Prozent der Schulen verfügen über Tablets als mobilen Klassensatz und 25 Prozent bieten die Geräte in speziellen Fachräumen an. Nur 2 Prozent der Schulen in Deutschland haben alle Unterrichtsräume mit Tablets ausgestattet. 65 Prozent der Schulen bieten ihren Schülerinnen und Schülern die Arbeit mit Foto- und Videokameras an und 43 Prozent verfügen über Smartphones, die für den Unterricht eingesetzt werden können. Seltener sind hingegen Virtual-Reality-Brillen (16 Prozent), 3D-Drucker (10 Prozent), Roboter (7 Prozent) und Drohnen (3 Prozent) an deutschen Schulen zu finden.
Fast die Hälfte nutzt im Unterricht noch den Overhead-Projektor
Wie häufig werden die entsprechenden Geräte von Lehrerinnen und Lehrern im Unterricht genutzt? Vor allem das interaktive Smartboard wird oft verwendet, 62 Prozent haben es immer oder häufig im Einsatz, 6 Prozent selten. Die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer (50 Prozent) setzt immer bzw. häufig Notebooks im Unterricht ein, 36 Prozent tun dies selten. Knapp dahinter folgen Tablets, die 49 Prozent immer bzw. häufig und 30 Prozent selten nutzen. 40 Prozent verwenden Beamer immer oder häufig im Unterricht, weitere 40 Prozent tun dies selten. Der Overhead-Projektor, ein Relikt aus vordigitalen Zeiten, ist ebenfalls noch vielfach im Klassenzimmer zu finden: Ein Fünftel der Lehrerinnen und Lehrer (19 Prozent) nutzt immer bzw. häufig den Overhead-Projektor, 27 Prozent tun dies selten. Smartphones werden nur von einer Minderheit von 3 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer häufig oder immer im Unterricht genutzt, ein Drittel (32 Prozent) setzt die Geräte zumindest hin und wieder ein. „Smartphones sind für viele Kinder und Jugendliche fester Teil ihres Alltags. Der verantwortungsvolle Umgang sollte ebenso wie Medienkompetenz selbstverständlich Inhalt des Unterrichts sein und in jeder Jahrgangsstufe vermittelt werden“, betont Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Debatten um pauschale Handyverbote sind wirklichkeitsfremd und führen an der Lebensrealität der jungen Menschen vorbei.“
Mehr Motivation im Klassenzimmer – aber auch die Gefahr von Ablenkung
Den Einsatz digitaler Technologien im Unterricht sieht die Lehrerschaft zwiegespalten. Auf der einen Seite erkennt die weit überwiegende Mehrheit einige Vorteile: Die Schülerinnen und Schüler seien motivierter (86 Prozent) und würden auf das Leben und Arbeiten in der digitalen Welt vorbereitet (71 Prozent), das Experimentieren mit digitalen Technologien fördere außerdem die Kreativität der Schülerinnen und Schüler (67 Prozent). Auf der anderen Seite erkennen einige Lehrerinnen und Lehrer auch Nachteile. 45 Prozent sehen Schülerinnen und Schüler durch digitale Technologien im Unterricht abgelenkt. 34 Prozent fürchten eine stärkere Kontrolle durch Eltern oder Schulleitung durch den Einsatz der Geräte und Anwendungen.
Das Zeugnis, das die befragten Lehrerinnen und Lehrer ihrer Schule in Digitalfragen ausstellen, ist zwar insgesamt mittelmäßig und hat sich im Vergleich zu einer Bitkom-Studie aus dem Jahr 2019 nur leicht verbessert – gleichwohl dürften die Anforderungen der Lehrerschaft an die technische Ausstattung ihrer Schulen im gleichen Zeitraum auch deutlich gestiegen sein. Die technischen Voraussetzungen insgesamt werden auf der Schulnotenskala gerade mit „befriedigend“ (3,1) bewertet – vor fünf Jahren betrug die Durchschnittsnote 3,3. Am besten schneiden die Geschwindigkeit der Internetverbindung – Note 2,7 (2019: 2,8) – und die Aktualität der Endgeräte mit einer 3,0 (2019: 3,2) ab. Die größten Verbesserungen gibt es bei der Ausstattung mit Endgeräten und Software – auf einem allerdings weiterhin niedrigen Niveau: So hat sich die Note für die Verfügbarkeit von Softwarelizenzen in Relation zur Schülerzahl um 0,7 Notenpunkte von 4,2 im Jahr 2019 auf jetzt 3,5 verbessert. Die Bewertung der Anzahl der Endgeräte in Relation zur Schülerzahl verbesserte sich um eine halbe Notenstufe von 3,9 im Jahr 2019 auf nun 3,4. Diese beiden Kategorien werden gleichwohl weiterhin am schlechtesten bewertet.
Überlastung der Lehrkräfte und Lehrermangel sind die größten Probleme
Gefragt danach, was aktuell die größten Probleme an ihrer Schule sind, nennen die Befragten vor allem die Überlastung der Lehrkräfte (74 Prozent), den Lehrermangel (73 Prozent) sowie überfüllte Klassen (61 Prozent). Auch ein stark unterschiedliches Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler (58 Prozent) sowie eine schwierige Integration von Kindern mit geringen Deutschkenntnissen (55 Prozent) macht den Lehrenden an deutschen Schulen zu schaffen. Jede vierte Lehrkraft (26 Prozent) beklagt marode Schulgebäude. Die Digitalisierung ist dabei nicht das drängendste, aber bei weitem auch nicht das geringste Problem: Rund die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer (49 Prozent) moniert eine fehlende Digitalisierungsstrategie ihrer Schule, 48 Prozent schlechtes Wlan und 43 Prozent eine schlechte technische Ausstattung. Rohleder: „Digitale Technologien sind ein wichtiger Teil der Lösung vieler Probleme an deutschen Schulen: Sie können u.a. überlastete Lehrkräfte unterstützen – nicht nur bei administrativen Aufgaben, sondern auch bei der Gestaltung ihres Unterrichts. Gleichzeitig lernen die Schülerinnen und Schüler bei ihrem Einsatz im Unterricht, sich Technologien zunutze zu machen und sich selbstbewusster und sicherer in der digitalen Welt zu bewegen.“
Dabei begreifen die Lehrerinnen und Lehrer die Digitalisierung größtenteils als Chance (88 Prozent) für die Bildung in Deutschland. Nur 10 Prozent sehen in ihr ein Risiko. Die Vermittlung digitaler Kompetenzen stellt für die Mehrheit der Lehrkräfte eine entsprechend wichtige schulische Aufgabe dar – rund drei Viertel (78 Prozent) sagen, dass digitale Kompetenzen ebenso selbstverständlich in der Schule vermittelt werden sollten wie Rechnen oder Schreiben. „Die Lehrerinnen und Lehrer sind der Digitalisierung gegenüber sehr aufgeschlossen. Die Bildungspolitik in Bund und Ländern muss sie dabei bestmöglich unterstützen“, betont Rohleder. Aus Bitkom-Sicht muss dafür vor allem der Digitalpakt 2.0 beschlossen und der bisherige Förderrahmen um die Finanzierung von digitalen Lehr- und Lernmaterialien und Lehrerfortbildungen erweitert werden. Dafür brauche es mindestens eine Milliarde Euro pro Jahr bis 2030. Daneben sei die bundesweite Verankerung eines Pflichtfachs Informatik für alle Schulformen ab Sekundarstufe 1 überfällig. „Schülerinnen und Schüler müssen systematisch an die Informatik und digitalen Themen herangeführt werden und dort eigene Kompetenzen erwerben“, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Außerdem brauche es eine Offensive zur Vermittlung digitaler Kompetenzen an Lehrkräfte. Rohleder: „Wenn Deutschland zukunfts- und wettbewerbsfähig bleiben will, brauchen wir eine zeitgemäße Bildung, die uns mit anderen Nationen auf Augenhöhe bringt.“
Bitkom zeichnet seit 2018 jedes Jahr digitale Vorreiterschulen als Smart Schools aus. Diese verfügen über eine besonders gute digitale Infrastruktur, digitale Curricula und digitalkompetente Lehrerinnen und Lehrer. Inzwischen umfasst das Smart-School-Netzwerk 127 Vorreiterschulen –von Grundschulen über Gesamtschulen und Gymnasien bis hin zu Berufsschulen, auch eine deutsche Auslandsschule im Silicon Valley gehört dazu. Zweimal jährlich trifft sich das Netzwerk, um Best Practices auszutauschen und aktuelle Herausforderungen zu diskutieren. Weitere Informationen unter www.bitkom.org/smart-school.
Hinweis zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverband Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 502 Lehrer der Sekundarstufe 1 und 2 an Hauptschulen, Schulen mit mehreren Bildungsgängen, Realschulen, Gymnasien, integrierten Gesamtschulen und Waldorfschulen telefonisch befragt. Die Befragung fand im Zeitraum von KW 23 bis KW 32 2024 statt. Die Umfrage ist repräsentativ.